Nebenerwerb im Aussterben?
Ein Blick zurück in die Geschichte der Landwirtschaft in Haiming
Seit Jahrhunderten prägen Landwirtschaft und Bauern die Kultur und Landschaft Tirols. Für Haiming lassen sich die ältesten schriftliche Belege unserer bäuerlichen Vorfahren im Urbar von Meinhard II aus dem Jahr 1288 finden. Zum einen sind darin die Güter und Höfe in Haiming genannt, z. B. in Schlierenzau, Höpperg oder Riedern. Zum anderen ist im Urbar auch festgehalten, was und in welcher Form die Bauern dieser Höfe ihren „Zins“ an den Lehnsherren abzuliefern hatten: Getreide (z. B. Gerste und Roggen) von den Höfen im Tal, Käselaibe oder auch Schmalz und Tuch (Loden) von den höher gelegenen Höfen, die keine Ackerzucht betrieben. Aus dem Urbar ist auch herauszulesen, welche Tiere unsere Vorfahren hielten, z. B. Rinder, Lämmer, Kitze, Hühner. Fest steht: Vor rund 750 Jahren war Haiming eine rein agrarische Gemeinschaft. Die Menschen waren auf die Selbstversorgung angewiesen und hatten nur eine beschränkte Auswahl an Lebensmitteln. Das sollte auch über einen langen Zeitraum so bleiben.
1748 erhielten die Haiminger die Genehmigung für eine eigene Mühle. Vorher mussten sie das Getreide zur Schlossmühle bei St. Petersberg bringen. Angetrieben wurde die Haiminger Mühle vom Wasser aus dem Mühlwaal. Schon vor rund 500 Jahren schufen unsere Vorfahren in mühevoller Handarbeit erste Bewässerungssysteme (Waale), um das Wasser aus Ambach und Brunau auf die Felder in Haiming zu leiten.
Änderungen am bäuerlichen Speiseplan gab es nach der „Entdeckung“ Amerikas 1492. Die Eroberer brachten nicht nur Erdäpfel, sondern auch Mais aus der Neuen Welt. Es sollte jedoch einige Jahrhunderte dauern, bis sich diese auch in Haiming durchsetzen konnten. Über den Umweg aus dem Vorderen Orient, vermutlich der Türkei, gelangte der Mais nach Mitteleuropa. Er wurde „Türkisch Korn“ genannt und hat seinen Namen bei uns bis heute als „Tirggn“ bewahrt. Um 1800 war er in ganz Tirol verbreitet und gehörte zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln, gemahlen zu Maismehl, Muasmehl, Riebler oder Polenta. Um 1870 wurde gut die Hälfte des Haiminger Ackerlandes mit Türken bebaut, auf Erdäpfel entfielen nur rund 1/10 der Fläche. In den Ställen gab es hauptsächlich Kühe und Schafe, aber auch Schweine und Ziegen. Auch die Imkerei wurde von einigen betrieben.
Der Ausbau der Verkehrswege, insbesondere der Bau der Eisenbahn (1881 - 1883) hatte auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Damit wurde es einfacher, auch von auswärts Getreide bzw. Mehl zu beschaffen. In der Folge ging der Getreideanbau zurück; der Körnermais wurde vielerorts vom Kartoffelanbau und Silomais zurückgedrängt. Viele ehemalige Anbauflächen wurden aber auch in Wiesen umgewandelt.
Die Landwirtschaft im 20. Jahrhundert
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Haiming der Obstanbau forciert. Vor dem 1. Weltkrieg wurde auch noch Tauschhandel betrieben, so tauschten die Haiminger Bauern Ofentürken, Obst und Dörrbirnen gegen Schmalz, Wolle und Granten mit den ÖtztaIern.
Anfang der 1950er Jahre begann man mit einer umfangreichen Neuparzellierung der klein strukturierten landwirtschaftlichen Flächen. Damit konnten größere zusammenhängende Flächen geschaffen und die maschinelle Bearbeitung erleichtert werden. Der zunehmende Einsatz von Maschinen hat die Arbeit der Bauern vielfach erleichtert, aber nicht immer können natürliche Produktionserschwernisse maschinell umgangen werden, wie z. B. die steilen Hänge oder kurze Vegetationszeiten in Ochsengarten oder am Haimingerberg.
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass sich in ganz Tirol die land- und forstwirtschaftlichen Arbeitskräfte seit 1950 auf gut 1/3 reduziert haben (von 104.988 (1950) auf 37.926 Personen im Jahr 2016). Dementsprechend hat sich auch die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Tirol stark reduziert. Auch in unserer Gemeinde haben viele Klein- und Nebenerwerbsbauern im Laufe des 20. Jahrhunderts ihre Stalltüre für immer geschlossen.
Im Jahr 2000 gab es in Haiming 113 land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von insgesamt 1.285 Hektar - der Großteil davon Wiesen und Weiden. Es wurden 594 Rinder, 56 Pferde, 139 Schweine, 756 Schafe und Ziegen und 1.417 Stück Geflügel gehalten. 2010 gab es in Haiming 103 land- und forstwirtschaftliche Betriebe – mehr als die Hälfte davon fällt unter eine der Berghöfekataster-Gruppen 1 – 4. Im Vergleich zum Jahr 2000 haben sich Ackerland und Obstanlagen vergrößert. Neu hinzugekommen sind zudem 3 Hektar Weingärten und Baumschulen.
Vielfalt und Modernisierung
Landwirtschaft heute
Ein großer Teil der heute landwirtschaftlich genutzten Flächen befindet sich östlich von Dorf und Magerbach (Obstbau), westlich des Magerbachwegs, am Haimingerberg, in Ochsengarten, Schlierenzau, Riedern, Brunau und Ambach. Auch wenn es heute weniger Haimingerinnen und Haiminger sind, die in der Landwirtschaft arbeiten, so bewirtschaften sie doch ähnlich große Flächen wie früher. Durch Globalisierung, Industrialisierung und Massenproduktion hat sich viel in der heimischen Landwirtschaft verändert. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass unsere Bauern mehr sind als reine Produzenten. Sie sind es auch, die unsere Kulturlandschaft pflegen und erhalten und damit die Grundlage für den so wichtigen Tourismus bilden. Nach wie vor basiert die heimische Landwirtschaft auf dem Einsatz der gesamten Familie. Trotz der Erleichterungen durch Maschinen, Traktoren etc. ist ein Bauernhof immer noch mit viel (händischer) Arbeit verbunden – und das zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten.
Die Vielfalt auf den Kulturflächen hat deutlich zugenommen: Erdäpfel, Kürbisse, Silomais und (auch wieder) Körnermais, verschiedene Kohlgemüse, Paprika, Tomaten, Salate, Weizen, Gerste, Kraut, Karotten, Rhabarber und vieles mehr sind auf den heimischen Feldern zu finden…vieles davon in biologischem Anbau. Auch der Weinbau erlebt seit Anfang der 2000er ein erfolgreiches Revival in unserer Gemeinde. Ein ganz besonderer Stellenwert kommt dem Obstbau zu – vom „Apfeldorf“ Haiming ist auf den folgenden Seiten noch mehr zu lesen. An tierischen Produkten gibt es Rind-, Schweine-, Schaf-, Hühner- und Ziegenfleisch, verschiedene Milchprodukte, Eier, Honig etc.