Haiming-Dorf, Steigge, Siedlung

Den Mittelpunkt der Gemeinde bildet das Dorf, früher als „Ortsried“ bezeichnet, der wiederum in Unter-, Mitter- und Oberdorf unterteilt wurde. Eng aneinander schmiegten sich die Wohnhäuser mit den Städeln und Ställen – vorteilhaft, weil damit der Grundverbrauch niedrig gehalten werden konnte, nachteilig weil die offenen Feuerstellen laufend zum Ausbruch von Feuersbrünsten führten, oft aber auch zu Streitigkeiten Anlass gaben.

 

Im Jahre 1628 gab es im Dorf laut Grundsteuerkataster des Gerichtes Petersberg zusammen sieben Güter mit 22 ½ Lehen und 38 Häusern, dazu zehn Häuser ohne Grundbesitz.

 

Jedes Stückchen Wiese, Garten und Acker war früher als Nahrungsgrundlage auch im Ortsried äußerst wertvoll, gegen das Vieh der Nachbarn der anderen Ortsteile halfen Zäune, die alljährlich zu Philipp und Jacobi am 3. Mai abends vom Dorfmeister besichtigt und kontrolliert wurden.

 

Das Dorf musste auch vor den „Fremden“ abgesichert werden, die Angst vor durchziehendem Gesindel und Söldnern war allgegenwärtig, Ortsfremde wurden nur unter strengen Bedingungen aufgenommen. Die „Gmua“ hatte ja auch ihre eigenen Gemeindearmen zu versorgen.

 

Die „Steigge“ (auch als Stoagge oder Gstoag bezeichnet), südwestlich der Pfarrkirche und „eingeklemmt“ zwischen Ortsried und Siedlung, wurde erst später besiedelt, wahrscheinlich nach dem Brand von 1761. Im Verzeichnis des Franziszeischen Katasters von 1857 werden entlang des Mühlbaches elf Wohngebäude angeführt (siehe Infobox auf der rechten Seite).

 

Von den ältesten Haiminger Häusern ist nicht mehr viel übrig – die zwei Großbrände der Jahre 1761 und 1897 haben viele Gebäude vernichtet, dazu gab es laufend kleinere Brände. Dort, wo das Feuer nichts anrichtete, findet man im Haiminger Dorf auch noch die ältesten Anwesen: An der Kreuzstraße das Haus „Unterruaner“, am östlichen Dorfeingang in der Kirchstraße 11 den „Mairhof“ mit Baukern aus dem 16. Jahrhundert, den Einhof an der Kirchstraße 2a und 2b in der Au (im Volksmund „Naggelburg“ bezeichnet, Baukern aus dem 16. Jahrhundert), das Bauernhaus „Vinzenzn“ in der Schulstraße 5 (17. Jahrhundert) und das Bauernhaus „Nuihausen“ in der Dorfstraße 22 (1764 erbaut). Sie sind neben der Pfarrkirche die ältesten Zeugen alter Baukultur im Haiminger Dorf. Als „alt“ können auch das „Binderhaus“ in der Kirchstraße und das „B(P)allhaus“ an der Kreuzung Alte Bundesstraße-Ötztalerstraße bewertet werden.

 

Die alten Häuser „Böckeler“, Kalkofenstraße 8 (Baukern aus dem 17. Jahrhundert) und der Einhof „Zischge“ an der Ötztalerstraße 7 (17. Jahrhundert) sind erst in jüngerer Zeit aus dem Ortsbild verschwunden.

 

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Siedlung westlich von Dorf und Steigge erschlossen und im Forchet angelegt. Mit den damals neuen Baumaschinen und mit viel Handarbeit wurde gerodet und das hügelige Gelände für eine Bebauung nutzbar gemacht.

 

Heute präsentiert sich das Dorf als Wohn- und Mischgebiet. Die landwirtschaftlichen Gebäude sind mit dem Rückgang der kleinstrukturierten Landwirtschaft stark minimiert worden, der Stallgeruch ist nicht mehr allgegenwärtig. Viele der älteren Häuser wurden renoviert, einiges an Altbestand „abgerissen“ – von einem echten Dorfkern kann nicht gesprochen werden.

 

Einen Einblick über das Leben im Dorf zu Beginn des 20. Jahrhunderts gibt die heimatkundliche Niederschrift der Lehrerin Paula Stigger (1892-1930). Sie berichtet: „Die Firstlinie ist bei vielen Häusern quer, bei vielen aber parallel zur Talachse gestellt. Leider wurde auf die Lage der Räume zur Sonne zu wenig Rücksicht genommen. Haiming hat mehrere Häuser mit nordseitig gelegenen Wohnstuben. Die meisten Häuser sind einstöckig und fast durchwegs wenig unterkellert. Die Häuser sind alle gemauert und fast ohne Ausnahme mit Ziegeln gedeckt. Holzdächer sind kaum mehr zu sehen…die Aborte sind gewöhnlich an der Außenseite des Hauses angebracht…Wohnküchen gibt es in Haiming wenig, die Mahlzeiten werden gewöhnlich in den Wohnstuben eingenommen…fast alle Wohnstuben haben einen Kachelofen…“

 

Als heutiges Zentrum gilt wohl der Bereich des Gemeindezentrums. Dort angesiedelt sind Gemeindeverwaltung, Arzt und Physiotherapie, Probelokal der Musikkapelle mit Veranstaltungsplatz, Hotel-Restaurant „Haimingerhof“, in der Nähe auch das Wohn- und Pflegeheim, weiter westlich am Beginn der Siedlung Apotheke mit Gastronomie, Postpartner und Lebensmittelgeschäft.

 

Noch hat das Dorf auch Metzger und Bäckerei, Dorfwirtshaus und Trafik – viele andere, kleine Betriebe haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre Türen geschlossen, manche Berufe wie Schuster oder Wagner sind „ausgestorben“.

 

Die Zeit, in der abends auf den „Hausbanklen“ reger Betrieb herrschte, ist vorbei. Spaziert man nach Feierabend durch das Dorf, trifft man selten auf Bewohner – diese sitzen vor dem Fernsehgerät oder dem Computer, andere wiederum sind je nach Jahreszeit als Freizeitsportler mit dem Rad unterwegs. Trotzdem lohnt sich auch heute noch ein Spaziergang durch den ursprünglichen Ortsried.

 

Einwohnerzahlen Haiming, Siedlung und Steigge am 1. Jänner 2021:

 

Hauptwohnsitze: 2.453
Nebenwohnsitze: 194

Häuser 1857 in der Steigge

 

Haus-Nr. 100: Josef Wilhelm (heute Günther Kapeller; früher „Müllers“)

Haus-Nr. 101: Kasimir Raffl (später Leitner „Radesen“)

Haus-Nr. 102: Kreszenz Götsch („Lambert“)

Haus-Nr. 103: Gottlieb Tiefenbrunner (heute Regina Kößler)

Haus-Nr. 104: Anton Leitner (heute Elfriede Eiter, früher Kößler „Thäs“)

Haus-Nr. 105: Alois Stigger’s Erben (später „Wenners“)

Haus-Nr. 106: Josef Schöpf

Haus-Nr. 107: Josef Nagele’s Erben u. Alois Witting („Pfutsch“)

Haus-Nr. 108: Anton Haid („Garber“)

Haus-Nr. 109: Anton Stigger (später „Grödner“) sowie Alois Praxmarer („Pult“)

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