Finsteres Mittelalter
Bauern, Grundherrschaft und Lehenswesen
Tirol als Teil des Herzogtums Bayern
Im frühen Mittelalter war jenes Gebiet, das sich im Laufe des Mittelalters zur Grafschaft Tirol auswachsen sollte, in mehrere Herrschaftssphären aufgeteilt. Unsere Gemeinde zählte wie ein großer Teil Nordtirols etwa ab dem 7. Jahrhundert zum Herzogtum Bayern (früher: „Baiern“ geschrieben). Verschiedene Geschlechter teilten sich die Macht, aufgeteilt in einzelne Grafschaften. Dabei war Grundbesitz das Zeichen schlechthin für Macht und Reichtum. Oberster Herr der Grafschaft war der Graf. Er war zugleich Richter, Verwaltungsbeamter, Steuereinnehmer und Verteidiger seiner Grafschaft in einer Person. Residiert haben die Grafen üblicherweise in einer Burg oder einer Festung. Das hatte nicht nur repräsentative Zwecke, sondern war für den Verteidigungsfall von Vorteil.
Von Königslanden und Lehen
Nach germanischem Recht gehörte das gesamte Land dem König („Königsland“). Es wurde an Untergebene als Lohn für verschiedenste Leistungen weitergegeben, blieb aber im Besitz des Königs. Das heißt, das Land wurde eigentlich „verliehen“ – daher auch die Bezeichnung „Lehen“. Umsonst war ein solches Lehen natürlich nicht zu haben. Der Lehensträger schuldete seinem Lehnsherrn nicht nur Treue und Dienstleistungen (z. B. unbezahlte Arbeit/Fronarbeit auf dem Herrenhof), sondern meist auch Abgaben in Naturalien (z. B. Lebensmittel, Stoffe, Wolle etc.). Anfangs waren nur Angehörige des Adels die großen Grundherren. Im Laufe der Zeit wurde auch die Kirche durch Klostergründungen, Schenkungen und Stiftungen zum reichen Grundbesitzer.
Unsere bäuerlichen Vorfahren dagegen kannten kaum das Gefühl, ihr eigener Herr zu sein. So waren die Bauern in Haiming zum Großteil nicht Eigentümer der Felder, die sie bewirtschafteten, sondern hatten verschiedene Grundherren über sich. Im Jahr 1628 mussten sie z. B. ihren Zins an St. Petersberg, an den Freiherrn von Wolkenstein, an das Stift Stams, die Pfarre Silz und an die Kirche Rietz leisten. Dabei hatte die Abhängigkeit der Bauern von den Lehnsherren ganz unterschiedliche Ausprägungen. Fallweise konnte der Grundherr das Bauerngut – samt Mensch, Vieh und Ackergerät, verkaufen, vertauschen oder verschenken. Der Mensch gehörte gewissermaßen wie Hausrat zum Bauerngut. Auch die diversen Machtkämpfe zwischen den Adelsgeschlechtern wurden häufig auf dem Rücken der Landbevölkerung ausgetragen, indem man sich gegenseitig das Kulturland und die Höfe verwüstete.
Bäuerliche Sippen und Güter in Haiming um 1628
Laut Steuerliste des Gerichtes St. Petersberg waren im Jahr 1325 bereits alle Steuerträger in Haiming aufgelistet.
Im Grundsteuerkataster des Gerichtes St. Petersberg von 1628 sind 32 Güter mit 46 Lehen und 93 Häusern genannt. Die aufgelisteten 32 Güter gehörten verschiedenen Lehnsherren, an die Abgaben (Lehenszins) geleistet werden musste.
- » 17 Güter zahlten Lehenszins an Petersberg
- » Fünf an den Freiherrn von Wolkenstein
- » Vier an das Stift Stams
- » Jeweils ein Gut zinsten an die Pfarre Silz sowie an die Kirche Rietz
- » Als „Eigen“ sind einige hoch gelegene Anwesen genannt: Obergut mit 16 Kuhfueren*, Marail* mit 13 Kuhfueren, Marlstein mit 2 Häusern und 33 Kuhfueren sowie Hausegg und Hochronen am Haimingerberg
Die Grundherrschaft und das Lehenswesen hielten sich bis ins 19. Jahrhundert, auch wenn in Tirol dem Bauernstand ein gewisses Mitspracherecht in der Landespolitik zukam. Er war neben Adel, Geistlichkeit und Bürgertum als vierter Stand im Landtag vertreten.
*Bis in die 1960er Jahre wurde die Schreibweise „Marail“ verwendet. Danach haben sich beide Schreibweisen – Marail und Mareil – etabliert.
1269: Haiming wird zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt
Stetig, aber unaufhaltsam löste sich Tirol vom Herzogtum Bayern los. Anteil daran hatte wohl auch Meinhard II, der Stifter des Klosters Stams (+ 1295). Er nannte sich erstmals Landesfürst und seine Grafschaft „das Land Tirol“. Über ihm stand nur noch der jeweilige König als sein Lehnsherr. Meinhard war ein geschickter Politiker und Finanzmann. Durch den Kauf von Bauerngütern vergrößerte er seinen Privatbesitz so oft sich die Gelegenheit dazu bot.
In einer solchen Kaufurkunde aus dem Jahr 1269 wird Haiming erstmalig genannt: Am 19. Februar dieses Jahres kaufte Graf Meinhard von Tirol von Graf Heinrich von Eschenloch fünf Höfe im Gebiet des Gerichts St. Petersberg, darunter einen in „Haimingen“ und einen im Ötztal „im Walde“ (Tiroler Landesarchiv, Urkunde Nr. I 9522).
Die „2. Geburtsstunde“ Haimings
Am 10. Juli 1384 wurde die Kirche in Haiming vom Weihbischof Albert konsekriert (dem Hl. Jakobus geweiht). Zur damaligen Zeit wurde eine Gemeinde nicht unbedingt durch die Einrichtung einer Amtsstelle, sondern durch den Bau einer Kirche als solche anerkannt. Somit kann dieses Datum – nach der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1269 – wohl als 2. Geburtsstunde Haimings bezeichnet werden. Auch wenn davon auszugehen ist, dass es schon vorher eine Kirche in Haiming gegeben hat, weil bereits in der Steuerliste von St. Petersberg 1325 ein „Pfaffe Vruidin“ erwähnt wird.
Ab dem 13./14. Jahrhundert gibt es mehr schriftliche Quellen für unsere Gemeinde, z. B. Güterverzeichnisse und Steuerlisten, in denen Güter und ihre Besitzer, Familienoberhaupte und Einwohnerzahlen genannt werden. Im sogenannten „Urbar“ (Einkünfteverzeichnis) von Meinhard II aus dem Jahr 1288 werden z. B. bereits alle heutigen Höfe auf dem Haimingerberg genannt. So wie die Höfe im Tal mussten auch diese Abgaben (Zins) an ihren Lehnsherrn leisten. Da die Höfe in den höheren Lagen (Haimingerberg und Ochsengarten) aber sogenannte Schwaighöfe waren (Höfe mit Viehzucht und Milchwirtschaft, aber ohne Ackerbau), leisteten sie ihre Abgaben in Form von Käselaiben (meist 300 Käselaibe zu je ½ kg). Die Höfe im Tal dagegen mussten als Zins meist Getreide (Roggen und Gerste), aber auch Vieh (z. B. Lämmer, Kitze, Hühner) sowie Eier und Fleisch an den Lehensherrn abtreten.