Die Weistümer
Recht und Ordnung in der Gemeinde
Für ein funktionierendes Zusammenleben in der Dorfgemeinschaft hielt man sich bis in das 13. Jahrhundert in erster Linie an mündlich überliefertes Gewohnheitsrecht. Nach und nach wurde dieses Gewohnheitsrecht niedergeschrieben. So entstanden die sogenannten „Weistümer“, die man als eine Art Gemeindeordnung bezeichnen könnte. Tiroler Gemeinden erlangten schon um 1200 n. Chr. das Recht, eine Reihe von Angelegenheiten selbst zu regeln. Diese Angelegenheiten sind in den Weistümern festgehalten.
Haiming besitzt eine sehr alte Niederschrift (datiert auf das Jahr 1420) auf einem ca. 1,30 m langen Pergament. Im Laufe der Jahrhunderte wurde dieses natürlich abgegriffen, teilweise unlesbar und natürlich änderten sich auch die Zeiten und Lebensumstände der Menschen. Im Jahr 1644 entstand daher eine Neufassung, weitere Zusätze folgten im Jahr 1652.
Als die Haiminger Weistümer entstanden (ca. 15. – 17. Jahrhundert) war Haiming in erster Linie eine Gemeinschaft von Bauern, die auf Selbstversorgung angewiesen waren. Deshalb verwundert es auch nicht, dass viele der Bestimmungen aus den Weistümern die Bauern bzw. die Landwirtschaft betreffen. Darin sind z. B. Weiderechte und Wasserrechte geregelt, entsprechende Strafen bei Zuwiderhandeln oder auch zu leistende unentgeltliche Arbeiten für die Gemeinschaft („Frondienste“). Ebenfalls im Weistum (ab Punkt 26) zu finden sind Regelungen darüber, wer unter welchen Umständen in die Dorfgemeinschaft aufgenommen werden kann. Von „freiem Personenverkehr“ konnte damals keine Rede sein. So brauchten Ortsfremde, die nach Haiming heiraten und sich hier niederlassen wollten, die Zustimmung von Gericht und Gemeinde. Jene, die aus Haiming weggeheiratet und ihr Vermögen mitgenommen haben, und die dann – aus welchen Gründen auch immer – später mittellos in ihr Heimatdorf zurückkehren wollten, durften ohne Zustimmung und reifliche Überlegung der Dorfgemeinschaft und des Gerichts keinesfalls aufgenommen werden…auch nicht von der eigenen Familie!
Heute muten diese Bestimmungen doch recht hart an, sie lassen sich aber durch die Lebensumstände der damaligen Zeit und die Denkweise der Menschen erklären. „Der Nächste war wirklich nur der Dorfgenosse.“
Im Gemeindearchiv Haiming ist eine Urkunde vom 30. Jänner 1802 zu diesem Thema zu finden: „Anlässlich der geplanten Heirat des Anton Haßlwanter von Ötz mit Susanna Witter von Haiming garantiert dieser durch Handgelübde vor dem Landgerichtsschreiber Sigmund Rainer, dass weder er noch seine Braut oder künftige Kinder einen Antrag auf Niederlassung im Haiming stellen werden. Er verspricht auch, sich weder in Haiming aufzuhalten noch ansässig zu werden.“ (Hölzl, S. 80) Als Zeugen werden Roman Zeiler, Johann Moritz und Josef Marberger (Pfleger und Landrichter) genannt. Erst mit der Revolution von 1848 erhielten alle österreichischen Gemeinden das Recht, sich selbst zu verwalten. „Die Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde“ war der Leitsatz des Provisorischen Gemeindegesetzes, das Kaiser Franz Joseph genehmigte. Grundsätzlich besteht eine der Hauptaufgaben der Gemeindeverwaltung darin, die vorhandenen Einnahmen zu verwalten, damit die öffentlichen Einrichtungen zu erhalten und zusätzliche Wünsche der Bevölkerung zu erfüllen.
Bildung der Gemeinde Haiming
Als einheitliche Steuergemeinde im heutigen Umfang scheint Haiming erstmals im Grundsteuerkataster aus dem Jahr 1628 aus. Die Teile Dorf, Höpperg, Schlierenzau und Ochsengarten wurden darin zur Gemeinde gezählt. In der Beschreibung des Kreises Oberinntal von 1832 wird Haiming als eine der zehn Hauptgemeinden oder Anwaltschaften des Gerichtes St. Petersberg bezeichnet. An der Spitze der Gesamtgemeinde stand damals noch nicht wie heute der Bürgermeister, sondern der „Anwalt“, der den Verkehr mit den Gerichtsbehörden besorgte und vor 1800 in Vertretung des Gerichtes Verträge erstellen durfte. Jährlich wurde im Dezember ein sogenanntes „Ehehafttaiding“ (Gemeindeversammlung) abgehalten, in dem auch gerichtliche Angelegenheiten erledigt wurden. Die Weistümer Haimings beziehen sich hauptsächlich auf das Dorf, die Weiler in der Ebene und die gegenseitigen Rechte am Höpperg. Ochsengarten war ausgenommen, besaß also demnach eine gewisse wirtschaftliche Selbstständigkeit.