Der Mordfall Agnes Gstrein, 1932
Ein entsetzliches Verbrechen in Haiming
Am 20. Juli 1932 machte sich die 18jährige* Agnes Gstrein aus Riedern, Stieftochter des Kleinbauern Arthur Schulern, so wie jeden Abend auf den Weg, um Milch auszutragen. Agnes wurde auch „das schöne Schulermadl“ genannt und sollte Milch zum Bahnhof Ötztal bringen, kam allerdings nicht wieder nach Hause. Warum sie verschwand, war zunächst völlig unklar. Es wurde sowohl ein Verbrechen oder Unglück als auch ein möglicher Selbstmord vermutet. Auch die Möglichkeit, dass sie von zuhause ausgerissen oder „auf Ferien“ gegangen sei, wurde nicht ausgeschlossen. Eine groß angelegte Suche in den Tagen nach ihrem Verschwinden durch Gendarmen und Einheimische blieb erfolglos. Erst vier Monate später wurden zufällig ein Kleidungsstück von Agnes sowie ihre Milchkanne entdeckt. Von ihr selbst jedoch gab es weiterhin keine Spur. Es sollte fast ein ganzes Jahr dauern bis ihr Verschwinden aufgeklärt wurde. Dazu trug ein weiterer Vorfall bei:
Am 15. Mai 1933 wurde auf die 17jährige Bahnwächterstochter Sophie Hölzl ein Überfall verübt. Ein Bursche hatte sie zwischen Roppen und Ötztal-Bahnhof zu Boden geworfen, gewürgt und versucht sie zu vergewaltigen. Durch eine List konnte die verletzte Sophie entkommen und meldete den Vorfall der Gendarmerie in Silz. Durch ihre genaue Personenbeschreibung konnte schnell der 19jährige Bahnwächterssohn Friedrich N. überführt und verhaftet werden. Der Überfall auf das Mädchen hatte in der Nähe jener Stelle stattgefunden, an der die letzten Spuren von Agnes gefunden worden waren. Schon bei den ersten Einvernahmen von N. erhärtete sich der Verdacht, dass dieser auch mit dem Verschwinden von Agnes Gstrein zu tun hatte. Schließlich gestand Friedrich N., dass er Agnes Gstrein vergewaltigt, erwürgt und ihre Leiche anschließend in den Inn geworfen hatte.
Der Prozess vor dem Schwurgericht in Innsbruck gegen Friedrich N. setzte den Beteiligten und Geschworenen zu. Der Verteidiger des Angeklagten bat um die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes, weil der Angeklagte „minderwertig und geistesschwach“ sei und eine arg vernachlässigte Erziehung genossen habe. Tatsächlich kam das Milderungsrecht zur Anwendung und N. wurde zu acht Jahren schweren Kerkers, verschärft durch einen Fasttag in jedem Vierteljahr, verurteilt. Die Bevölkerung war entsetzt über das Verbrechen und einige verlangten sogar die Todesstrafe für den Unhold.
Die Leiche von Agnes Gstrein wurde nie gefunden.
*Das Alter von Agnes wird unterschiedlich angegeben – entweder mit 18 oder mit 20 Jahren
** Der Name des Mädchens wird ebenfalls unterschiedlich angegeben: Sophie, Marie oder Stephanie