Die Haiminger Standschützen
Als Italien im Jahr 1915 der österreichisch-ungarischen Monarchie den Krieg erklärte, lagen die "regulären" k.k. Soldaten großteils in Russland an der Front. So wurden in einer Blitzaktion die Unterstützung der Standschützen eingefordert - innerhalb weniger Tage standen diese Gewehr bei Fuß. Die Standschützen haben ihre Wurzeln im Landlibell von Kaiser Maximilian aus dem Jahr 1511 und dem Dekret der Erzherzogin Claudia de Medici (1632). Sie waren "einrollierte" Mitglieder von Schützengilden und Schützenkompanien und wurden bereits vor dem 1. Weltkrieg bei mehreren Kriegshandlungen eingesetzt. In Friedenszeiten waren die Standschützen verpflichtet an regelmäßigen Scheibenschießen teilzunehmen.
Auch in Haiming wurden die Standschützen einberufen. Am 18. Mai 1915 trafen sich 35 Männer unter dem Standschützenoffizier Leutnant Johann Nagele in Magerbach. Die Haiminger Standschützen waren Teil des Standschützen-Bataillons Silz und kämpften an der Südfront (Corvara, Kreuzberg, Rauchkofel). Weitere Einsatzgebiete des Bataillons Silz: Abschnitt Tonale, Abschnitt Etschtal-Rovereto, Abschnitt Pustertal.
Das Foto rechts zeigt den Haiminger Standschützenoffizier Leutnant Johann Nagele.
Im Haiminger Dorfblattl vom Sommer 2015 schreibt Chronist Manfred Wegleiter ausführlicher über die Haiminger Standschützen - hier ein Auszug:
"Vom Schießstand an die Dolomitenfront"
Zu Beginn ihres Einsatzes im 1. Weltkrieg hatten die Standschützen weder eine eigene Uniform noch eine geeignete Bewaffnung. Viele der Standschützen rückten mit ihrer eigenen Schützenbüchse ein, manche mit den altmodischen "Werndl-Gewehren". Außerdem hatten die meisten keine militärische Ausbildung. Was die Tiroler Standschützen trotzdem äußerst wehrhaft machte, waren ihr Mut, ihre Erfahrung im alpinen Gelände und ihre ausgezeichnete Treffsicherheit. Dass sie das Recht hatten aus ihren eigenen Reihen ihre Offiziere zu wählen stieß manch einem k. k. Offizier sauer auf. So kam es vor, dass die regulären k. k. Militärs den Standschützenoffizieren den notwendigen Respekt versagten und versuchten, die Autorität der gewählten Offiziere zu untergraben.
Die Haiminger wurden als 4. Kompanie dem Standschützen-Bataillon Silz unter dessen Major Alois Praxmarer zugeteilt. Bei Ausbruch des Krieges an der Südfront befand sich das Silzer Bataillon im Abschnitt Corvara. Am 1. September kamen die vier Kompanien des Silzer Bataillons (Silz, Oetz, Umhausen, Haiming) in den Abschnitt Kreuzberg. Am 7. September wurden die Stellungen am Rauchkofel von den Italienern zurück erobert. Die Standschützen waren für diesen Erfolg hauptverantwortlich. In seinen Erinnerungen schreibt Oberleutnant Anton Schmid aus Habichen: "Leider waren die Verluste, besonders bei den Silzern, sehr schwer; elf Schützen waren meist schwer verwundet worden, unter ihnen Alois Schuler und Heinrich Heiß aus Haiming...die stürmende Abteilung der Silzer hatte über sechzig vom Hundert an Toten und Verwundeten bei diesem Sturm verloren...".
Die Einsatzgebiete des Bataillons Silz waren: Abschnitt Tonale (Juni 1918 - November 1918), Abschnitt Etschtal-Rovereto (Jänner 1918 - April 1918), Abschnitt Pustertal (Mai 1915 - Juli 1915, September 1915 - November 1917). Die Standschützen litten in den Stellungen unter unvorstellbaren Strapazen. Mangelnde Ausrüstung, unzureichende Verpflegung, Kälte, Lawinenabgänge, Krankheiten und enorme psychische Belastungen forderten ihren Tribut. Wer die Härten dieser unmenschlichen Kriegshandlungen überlebte, geriet nach dem Krieg in italienische Gefangenschaft.
Der 1. Weltkrieg hinterließ auch in Haiming Narben. Auf dem neuen Kriegerdenkmal stehen die Namen von 47 Gefallenen, in den Ehrenbüchern des Landes Tirol finden sich 51 Namen von gefallenen Haimingern. Tischlermeister und Standschützenleutnant Johann Nagele starb am 25. März 1958 im 94. Lebensjahr.
Text: Manfred Wegleiter, Chronik Haiming